- nuklearmedizinische Diagnostik
- nuklearmedizinische DiagnostikAuch die nuklearmedizinische Diagnostik ist ein Verfahren, um Bilder des menschlichen Körpers zu erzeugen. Sie funktioniert ähnlich wie die Röntgendiagnostik, nur wird keine Strahlung von außen durch den Körper geschickt, sondern die Strahlung wird im Innern des Körpers erzeugt. Die Quelle der Strahlung ist eine sehr geringe Menge einer radioaktiven Substanz, die dem Patienten in die Blutbahn injiziert wird und die beim radioaktiven Zerfall Gammastrahlung (Röntgenstrahlung hoher Energie) aussendet. Diese Strahlung wird außerhalb des Körpers detektiert, und anhand der gemessenen Signale lässt sich ein Bild der Verteilung des radioaktiven Stoffs im Körper erzeugen. Während die Sonographie, Röntgentomographie und Magnetresonanztomographie hauptsächlich die anatomische Struktur des Körpers abbilden, ist es in der Nuklearmedizin möglich, die Funktion von Organen zu erfassen. Es können nämlich Substanzen, die für den Stoffwechsel wichtig sind, radioaktiv markiert werden. Markieren bedeutet, dass einzelne Atome der Substanz durch ähnliche radioaktive Atome ersetzt werden. Auf nuklearmedizinischen Aufnahmen werden diese Substanzen im zeitlichen Verlauf beobachtet und so die biochemischen Funktionen des Körpers bestimmt. Genau wie in der Röntgendiagnostik gibt es zwei verschiedene Arten, Bilder zu erzeugen: Analog zu Röntgenbildern stellen die Szintigramme Projektionsaufnahmen dar, es ist aber auch möglich, analog zur Röntgen-Computertomographie Schnittbilder zu erzeugen.Radioaktive Elemente für die NuklearmedizinEine Voraussetzung für die Erzeugung von Bildern in der Nuklearmedizin ist, dass die im Körper entstehende radioaktive Strahlung — es kann sich um Alpha-, Beta- oder Gammastrahlung handeln — außerhalb des Körpers detektiert werden kann. Alphastrahlung besteht aus Helium-Atomkernen, also aus zwei Neutronen und zwei Protonen, Betastrahlung aus Elektronen. Alpha- und Betastrahlung würden bereits kurz nach ihrer Entstehung im Körpergewebe absorbiert werden, das heißt, sie besitzen nur sehr kurze Reichweiten von einigen Millimetern. Nur Gammastrahlen wechselwirken so gering mit dem umgebenden Gewebe, dass sie den Körper verlassen und außerhalb nachgewiesen werden können. Für die Nuklearmedizin eignen sich daher nur radioaktive Substanzen, die dem Gammazerfall unterliegen. Gammastrahlung ist nichts anderes als »harte« Röntgenstrahlung, sie besitzt also besonders hohe Energie, und sie wird nur aufgrund ihrer Herkunft anders bezeichnet. Die »weiche« Röntgenstrahlung, die in der Röntgendiagnostik eingesetzt wird, besitzt — ähnlich wie Alpha- und Betastrahlung — den in der Nuklearmedizin unerwünschten Nebeneffekt, sehr stark vom Körpergewebe absorbiert zu werden.Neben radioaktiven Substanzen, die dem Gammazerfall unterliegen, gibt es noch eine weitere Quelle von Gammastrahlung: die Positronenvernichtung. Atomkerne, die künstlich radioaktiv angeregt wurden, können so zerfallen, dass sie Positronen, also positiv geladene Antielektronen aussenden (man spricht auch vom positiven Betazerfall). Verabreicht man einem Patienten Substanzen, die positiven Betazerfall zeigen, so verbinden sich die emittierten Positronen nach kurzer Zeit mit im Körper vorhandenen Elektronen und zerstrahlen in Form von zwei Gammaquanten, die in genau entgegengesetzte Richtungen emittiert werden. Diesen Effekt macht man sich bei der Positronen-Emissionstomographie (PET) zunutze.Die Grundlage für die Untersuchung von Organfunktionen sind geeignete radioaktive Substanzen, die Radiopharmaka. Diese müssen Gammastrahlung von geeigneter Energie emittieren. Eine weitere Voraussetzung ist eine geringe Halbwertszeit, um die Strahlenexposition des Patienten zu minimieren. Durch die radioaktive Markierung einer Substanz sollten die chemischen Eigenschaften so wenig wie möglich verändert werden. Die optimale Methode dafür ist es, natürlich vorkommende Elemente wie Wasserstoff, Kohlenstoff oder Sauerstoff radioaktiv zu markieren. Vom Wasserstoff gibt es nur ein elektronenemittierendes Isotop; von Kohlenstoff und Sauerstoff können nur sehr kurzlebige positronenemittierende Nuklide hergestellt werden, deren Halbwertszeiten bei wenigen Minuten liegen, sodass sie direkt am Ort der Verwendung hergestellt werden müssen. Die Herstellung der radioaktiven Elemente erfolgt in einem Zyklotron, einem Teilchenbeschleuniger, in dem stabile Atome mit hochenergetischen Protonen beschossen werden. Danach werden die radioaktiven Substanzen in speziellen Chemielabors zu Radiopharmazeutika verarbeitet. Wegen der kurzen Halbwertszeit müssen sich ein Beschleunigerlabor mit Zyklotron und das Chemielabor unmittelbar am Ort der Untersuchung befinden, was den Einsatz dieses Verfahrens auf wenige Standorte einschränkt. Für nuklearmedizinische Standarduntersuchungen werden deshalb andere Elemente eingesetzt, bei 80 Prozent der Untersuchungen verwendet man Technetium-99m. Diese verändern zwar die chemischen Eigenschaften der zu markierenden Pharmaka, können aber durch Radionuklidgeneratoren auch in großer Entfernung von Beschleunigerlabors zur Verfügung gestellt werden. Nur so konnte die Nuklearmedizin eine weite Verbreitung erlangen.Die GammakameraUm ein Szintigramm, also ein Bild der Verteilung einer radioaktiven Substanz im Körper zu erzeugen, wurde in den Anfängen der nuklearmedizinischen Diagnostik — zu Beginn der 1950er-Jahre — ein einzelner Szintillationsdetektor benutzt. Dieser wurde schrittweise über den Patienten bewegt; und das Bild baute sich punktweise auf. Dieses extrem langwierige Verfahren wurde 1958 durch die von H. O. A. Anger erfundenen Gammakamera abgelöst. Die Gammakamera basiert auf einem großflächigen Szintillationskristall mit einer Dicke von etwa einem Zentimeter, hinter dem sich eine Anordnung von Photomultipliern (Lichtverstärkern) befindet. Mit einer Gammakamera werden Projektionsbilder erzeugt. Genau wie bei Röntgenbildern geht die Information über die Tiefe verloren. Um eine bestimmte Projektionsrichtung festzulegen, befindet sich vor dem Szintillator ein Kollimator. Dieser besteht aus einer Bleiplatte mit sehr vielen parallelen Löchern, die nur senkrecht einfallende Gammastrahlung durchlassen. Schräg eintreffende Strahlung wird absorbiert. Ein an einer bestimmten Stelle auf den Szintillator auftreffendes Photon erzeugt einen Lichtblitz, der von mehreren Photomultipliern aufgenommen wird. Die Intensität des Signals eines bestimmten Photomultipliers hängt von seiner Entfernung von der Auftreffstelle ab, und wird vom Computer analysiert. So kann die Auftreffstelle genau lokalisiert und einem Bildpunkt auf dem Computermonitor zugeordnet werden. Die Genauigkeit dieser Methode hängt hauptsächlich von der Anzahl der Photomultiplier ab. Sie werden normalerweise in Sechsecken angeordnet, um eine gleichmäßige Abdeckung zu erreichen. In modernen Gammakameras werden über 100 Photomultiplier eingesetzt. Damit ist eine Auflösung von etwa drei Millimeter zu erreichen.Eine der Hauptanwendungen der Szintigramme ist die Bestimmung der Funktion der Schilddrüse. Man appliziert hier ein mit radioaktivem Technetium markiertes Pharmakon, das sich ähnlich wie Iod verhält. Da nur funktionell aktive Teile der Schilddrüse Iod aufnehmen können, lassen sich im Szintigramm Bereiche verminderter Aktivität erkennen, die auf Erkrankungen hindeuten.Eine weitere Anwendung ist die Bestimmung der Funktion der Lunge. Die Lungenszintigraphie wird hauptsächlich zur Diagnose der Lungenembolie verwendet. Bei der Lungenembolie wird durch einen Blutpfropf, der meist aus dem Herz oder den Beinvenen stammt, ein Blutgefäß der Lunge verstopft. Sowohl die Durchblutung als auch die Belüftung der Lunge kann mittels Szintigraphie dargestellt werden. Zur Messung der Durchblutung wird ein mit Technetium markiertes Radiopharmakon in die Blutbahn injiziert. Es besteht aus einzelnen Teilchen von circa 50 Mikrometern Größe. Durch den Blutkreislauf werden diese in die Lungengefäße transportiert und bleiben dort aufgrund ihrer Größe in einem sehr kleinen Teil der Gefäße stecken. Diese Verteilung kann dann in einem Szintigramm abgebildet werden, und man erhält ein Bild der Durchblutung (Perfusion) der Lunge. Zur Bestimmung der Belüftung (Ventilation) der Lunge verwendet man ein radioaktives Edelgas, das während der Aufnahme eingeatmet wird. Durch den Vergleich zwischen Perfusionsszintigramm und Ventilationsszintigramm kann eine sichere Diagnose gestellt werden: Eine Lungenembolie liegt dann vor, wenn bei ungestörter Belüftung die Durchblutung vermindert ist. Ein weiteres Beispiel für eine Anwendung der Gammakamera ist die Knochenszintigraphie. Man verwendet dafür mit Technetium-99m markierte Phosphatverbindungen. Diese werden in den Knochen eingebaut, und zwar bevorzugt an Stellen, die stark durchblutet sind und an denen ein vermehrter Knochenumbau stattfindet. Die häufigste Anwendung der Knochenszintigraphie ist die Suche nach Tochtergeschwülsten (Metastasen) bei Krebserkrankungen. Die Metastasen haben einen erhöhten Stoffwechsel, sodass sich das Radiopharmakon dort ansammelt. Die Skelettszintigraphie wird auch zur Diagnose von Knochenbrüchen und Knochen- und Gelenkentzündungen verwendet.Schichtaufnahmen: SPECTSzintigramme haben den gleichen Nachteil wie Röntgenbilder: Da es sich um Projektionsaufnahmen handelt, ist eine Lokalisation im Volumen des Körpers nur schwer möglich. Außerdem können interessante Strukturen von anderen überdeckt werden, was den Kontrast der Bilder vermindert. Analog zur Röntgen-Computertomographie gibt es auch in der Nuklearmedizin die Möglichkeit, dreidimensionale Bilder zu erzeugen. Das Verfahren der Einzelphotonen-Emissionstomographie (englisch: Single Photon Emission Computed Tomography, SPECT) ist 1968 von David E. Kuhl entwickelt worden und damit sogar älter als die Röntgen-Computertomographie. Heute handelt es sich um das Standardverfahren der Nuklearmedizin. Die Aufnahme funktioniert so, dass Gammakameras auf Kreisbahnen um den Patienten bewegt werden. So werden unter vielen verschiedenen Winkeln Projektionsaufnahmen gewonnen. Meistens wird eine Anordnung von drei Kameras verwendet, um möglichst viel Strahlung auszunutzen. Typischerweise werden etwa 200 Projektionen mit 128 mal 128 Bildpunkten aufgenommen. Da es sich um zweidimensionale Detektoren handelt, können gleichzeitig mehrere Schichten rekonstruiert werden. Wie in der Röntgen-Computertomographie (CT) wird zur Rekonstruktion das Verfahren der gefilterten Rückprojektion eingesetzt. Im Gegensatz zur Röntgen-CT soll hier allerdings die Verteilung der Radioaktivität gemessen werden, die Absorption der Strahlung im Körper ist ein unerwünschter Nebeneffekt, für den Korrekturen angebracht werden müssen. Das Problem der Streustrahlung ist bei dieser Methode größer. Die räumliche Auflösung von SPECT-Bildern ist mit rund einem Zentimeter wesentlich geringer als bei der Röntgen-CT.Eine häufige Anwendung der SPECT ist die Herzmuskelszintigraphie, mit der sich Durchblutungsstörungen des Herzmuskels untersuchen lassen. Es wird ein mit radioaktivem Thallium markiertes Pharmakon injiziert, das sich durch einen aktiven Stoffwechselprozess im Herzmuskel anreichert. Diese Anreicherung hängt von der Durchblutung des Gewebes ab, sodass sich mittels SPECT Schichtbilder des Herzmuskels erzeugen lassen, welche die lokale Durchblutung anzeigen. Durch den Vergleich von in Ruhe und unter Belastung aufgenommenen Szintigrammen lassen sich Durchblutungsstörungen durch Narben, die von Herzinfarkten stammen, und Durchblutungsstörungen durch Verengungen der Herzkranzgefäße unterscheiden.Schichtaufnahmen mit Positronen: PETEin weiteres Verfahren zur Erzeugung von Schichtbildern ist die Positronen-Emissionstomographie (PET). Hier wird das Phänomen der Positronenvernichtung ausgenutzt, um exakte Konzentrationen von Radiopharmaka zu messen und so auf die Funktion von Organen rückzuschließen. Wie oben beschrieben, werden beim Zerfall eines Positrons zwei Gammaquanten in entgegengesetzte Richtung emittiert. Ein PET besteht aus einem Ring von einigen hundert Detektoren, die den Patienten umgeben. Der Zerfall eines Positrons hat zur Folge, dass in zwei gegenüberstehenden Detektoren praktisch gleichzeitig je ein Gammaquant detektiert wird. Der Zerfall muss also auf der Verbindungslinie zwischen den beiden Detektoren liegen. Auf diese Weise können im Computer Projektionen wie bei SPECT berechnet werden. Die Rekonstruktion beruht ebenfalls auf der Methode der gefilterten Rückprojektion. Im Unterschied zu SPECT ergeben sich aber einige Vorteile: Da immer zwei Gammaquanten aus gegenüberliegenden Detektoren registriert werden, entfällt die Notwendigkeit von Kollimatoren. So ergibt sich eine etwa tausendmal größere Empfindlichkeit. Die Auflösung von PET-Bildern ist mit etwa vier Millimetern ebenfalls wesentlich höher als bei SPECT. Die Auflösung wird hauptsächlich dadurch begrenzt, dass der Ort der Emission der Gammaquanten aufgrund der Bewegung des Positrons nicht genau mit dem Ort des Positronenzerfalls übereinstimmt. Aufgrund der gleichzeitigen Detektion von zwei Quanten ist das bei der PET gemessene Signal von der Absorption im Körper unabhängig. Deshalb ist es möglich, die Konzentration von Radiopharmaka absolut zu messen.Radioaktive Elemente, die bei ihrem Zerfall Positronen aussenden, müssen alle künstlich erzeugt werden — was in den Beschleunigerlabors der Kern- und Elementarteilchenphysik geschieht — und haben eine Halbwertszeit von meist wenigen Minuten. Sie können deshalb nicht über große Entfernungen transportiert werden, sodass sich der PET-Untersuchungsort in unmittelbarer Nähe eines Beschleunigerlabors befinden muss. Dadurch wird die Verbreitung der Positronen-Emissionstomographie zurzeit noch sehr eingeschränkt. Einzig das radioaktive Element Fluor-18, das relativ einfach in Pharmaka eingebaut werden kann, ist als Positronenquelle mit einer Halbwertszeit von 110 Minuten über eine gewisse Entfernung transportabel.Eine Anwendung der PET ist die Bestimmung des Glucosestoffwechsels. Hierbei wird mit Fluor-18 markierte Glucose (Traubenzucker) in die Blutbahn injiziert. Sie wird vom Körper wie Glucose behandelt und reichert sich daher in Körperregionen mit erhöhtem Glucoseverbrauch an. So können Krankheiten diagnostiziert werden, die den Glucoseverbrauch beeinflussen. Beispielsweise kann bei der Alzheimer-Krankheit ein verminderter Glucoseverbrauch in bestimmten Hirnarealen beobachtet werden. Ein weiteres Einsatzgebiet von PET sind Krebserkrankungen. Viele Tumore haben einen im Gegensatz zu normalem Gewebe erhöhten Verbrauch von Glucose. Sie können daher in PET-Bildern diagnostiziert werden, und der Grad der Bösartigkeit kann bestimmt werden.Dipl.-Phys. Jan Boese und Dipl.-Phys. Renate JereiWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Strahlentherapie: Zerstörung von TumorenGrundlegende Informationen finden Sie unter:Kernspintomographie: Kontrastreiche Schnittbilder des KörpersRöntgendiagnostik: Vom Röntgenbild zur ComputertomographieBildgebende Systeme für die medizinische Diagnostik. Röntgendiagnostik und Angiographie, Computertomographie, Nuklearmedizin, Magnetresonanztomographie, Sonographie, integrierte Informationssysteme, herausgegeben von Heinz Morneburg. München 31995.Laubenberger, Theodor / Laubenberger, Jörg: Technik der medizinischen Radiologie. Diagnostik, Strahlentherapie, Strahlenschutz für Ärzte, Medizinstudenten und MTRA. Mit Anleitung zur Strahlenschutzbelehrung in der Röntgendiagnostik. Köln 71999.Medizintechnik - Verfahren, Systeme und Informationsverarbeitung. Ein anwendungsorientierter Querschnitt für Ausbildung und Praxis, herausgegeben von Rüdiger Kramme. Berlin u. a. 1997.
Universal-Lexikon. 2012.